Langer Atem eines KSC-Fan zahlt sich aus – Freispruch höchstinstanzlich bestätigt
Am 27. November 2016 findet im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern das Auswärtsspiel des KSC statt. Etwa 10 Minuten vor Spielbeginn startet eine Choreo mit einer Blockfahne, die über die Zuschauer gezogen wird. Darunter wird Pyrotechnik gezündet. Einzelne Personen sind vermummt. Im Nachgang des Spiels nimmt die Polizei die Ermittlungen auf.
Es kommt zu 200 Ermittlungsverfahren gegen vermeintliche Tatverdächtige aus dem entsprechenden Bereich des Gästeblocks, v.a. wegen Landfriedensbruch. Dieser wird damit begründet, dass die Personen alle ähnliche Kleidung trugen, so von der Aktion gewusst haben mussten und mit ihrer ähnlichen Aufmachung sowie dem Aufrollen der Blockfahne andere Täter schützen wollten. Die Fanhilfe Karlsruhe unterstützte einige KSC-Fans, die gegen diesen Vorwurf vorgingen, und hat nun vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken Recht bekommen.
Konkret handelt es sich um den Fall eines KSC-Fans, der im Block 18.1 des Fritz-Walter-Stadions an jenem Nachmittag stand. Die Polizei kann ihn ca. 15 Minuten vor Spielbeginn im Gästeblock identifizieren. Als die Blockfahne über die Zuschauer gezogen wird, steht er am Rand und kommt so auch unter der Blockfahne. Nachdem die Blockfahne wieder verschwindet, steht er einige Reihen weiter oben. Pyrotechnik hat er nachweislich nicht gezündet.
Es kommt zum Verfahren und der KSC-Fan wird im Mai 2018 vom Amtsgericht Kaiserslautern wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf Bewährung verurteilt. Laut Gericht habe er sich an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen beteiligt, die aus einer Menschenmenge (…) mit vereinten Kräften begangen wurde.“ Das Gericht stellt zwar fest, dass der KSC-Fan keine Pyrotechnik gezündet habe. Es ist sich aber sicher, dass der Fan – gerade aufgrund seiner ähnlichen Kleidung wie sein Umfeld und seine Positionierung im Block – „wusste (…), was geplant ist und passiert“.
Gegen dieses Urteil hat der KSC-Fan, mit Hilfe seines Rechtsanwaltes Philipp Adam, Berufung eingelegt. Der Fall wurde neu vor dem Landgericht Kaiserslautern verhandelt. Dieses hat den KSC-Fan im Juli 2019 freigesprochen. Dem Fan sind weder Landfriedensbruch noch ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz nachzuweisen. Das Gericht stellt außerdem fest, dass die Kleidung nicht untypisch für die Jahreszeit ist. Es handelt sich um „die typische Freizeitkleidung junger Männer. Die Farbgebung blau entspricht den Vereinsfarben des KSC und weder dieser noch seine Farben sind verboten.“ Es kann dem Fan ferner nicht unterstellen, „dass der Angeklagte unter der Blockfahne Feuerwerkskörper gezündet hat oder derartige Handlungen anderer gefördert hat.“ Das Landgericht beruft sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken, das im März 2019 ein ähnliches Urteil zum gleichen Fußballspiel gefällt hat in dem es entschieden hat, dass es sich “bei einer Blockfahne nicht um eine Aufmachung handelt, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, wenn sich darunter ca. 200 Personen verbergen”. Sprich es handelt sich nicht um Vermummung. (1 OLG 2 Ss 61/18).
Gegen die Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern vom Juli 2019 hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern Revision eingelegt. Der Fall wurde nun vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken verhandelt. Das OLG hat am 15.06.2020 das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern bestätigt. Damit ist der Freispruch des KSC-Fan rechtskräftig.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken ist ein großer Erfolg für die Fanhilfe Karlsruhe sowie für Fußballfans allgemein. Einerseits zeigt es, wie wichtig es ist, den Rechtsweg bei entsprechenden Gegenargumenten bis in die letzten Instanzen zu verfolgen. Andererseits kommt es einem Grundsatzurteil gleich: Nur aufgrund ähnlicher Kleidung können Fußballfans nicht für Straftaten haftbar gemacht werden, die aus einer Menschenmenge heraus entstehen. Allein der Aufenthalt in so einer Menschenmenge darf außerdem nicht voraussetzen, dass ein Beteiligter von vermeintlich geplanten Straftaten weiß. Eine Vermummung muss explizit nachgewiesen und darf nicht aufgrund von Vergleichsbildern einfach unterstellt werden.